Cytotec von Pfizer ist eigentlich ein Arzneimittel, welches zur Behandlung von Magenschleimhautschädigungen und Magengeschwüren entwickelt wurde. Seit Jahren wird es jedoch - ohne das es hierfür zugelassen wäre - in der Geburtshilfe um die Wehen einzuleiten. Die amerikanische Gesundheitsbehörde warnt seit Jahren jedoch davor, dass dies gefährlich sein kann, weil Zytotec einen Wehensturm verursachen kann. Es wird von Müttern berichtet, die starben und von durch den Wehensturm behindert geborenen Kindern. Hebammen berichten davon, dass die Herztöne von Kindern abfallen können. Innere Blutungen können auftreten. Allerdings gibt es dazu noch kaum Studien. Der Hersteller weist jedoch darauf hin, dass der Einsatz bei Schwangeren kontraindiziert ist und es in zu einer Uterusruptur oder zu einem Geburtsschaden kommen kann. Da es für die Einleitung der Wehen auch ein zugelassenes Arzneimittel gibt (v.a. Oxyticin), ist der Einsatz von Cytotec in der Geburtshilfe schlichtwegs rechtswidrig. Daher handelt es sich auch nicht um Produktfehler, für die der Hersteller haftet, sondern einen Fehler bei der Anwendung, für die Kliniken haften. Im Jahr 2020 hat das Landgericht Berlin erstmalig einem geschädigten Kind Schadensersatz zugesprochen (siehe unten). Derzeit führe ich am Landgericht Berlin einen Rechtstreit mit dem geklärt werden soll, ob der Kindsmutter wegen der belastenden Geburt mit Zytotec ein eigener Schmerzensgeldanspruch zusteht.
Am 2. Juli 2020 hat das Landgericht erstmals einem Kind, welches bei der Geburt unter Verwendung des für die Geburtshilfe nicht zugelassenen Arzneimittels einen schwerden Geburtsschaden erlitten einen Schadensersatz zugesprochen. Allerdings begründete das Gericht nicht mit der fehlenden Zulassung des Arzneimittels, sondern damit, dass die Kindsmutter nicht über die Verwendung und die Risiken des Arzneimittels aufgeklärt wurde. Das Landgericht Berlin sprach dem schwer geschädigten Kind ein Schmerzensgeld von 300.000 Euro zu und verurteilte die Beklagten auch dazu, alle weiteren Schäden zu erstatten. (LG Berlin, Urteil vom 2.07.2020, Az.: 6 O 425/12- Cytotec)
Ein Patienten hat einen Anspruch auf Auskunft über dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle, wenn er Tatsachen glaubhaft macht, die die Annahme begründen, dass ihm das Arzneimittel einen Gesundheitsschaden verursacht hat. Zwar reicht hierfür nicht die bloße Äußerung eines unbestimmten Verdachtes, andererseits muss aber auch nicht schon der Vollbeweis für die Ursächlichkeit erbracht werden. Es müssen aber Tatsachen dargelegt werden, die diese Annahme begründen. Die Tatsachen müssen die Ursächlichkeit des Arzneimittels für den Patienten zumindest plausibel erscheinen lassen.
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2015 - Az. VI ZR 328/11)
In einem zweiten Fall stellte der Bundesgerichtshof klar, dass der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Medikamenteneinnahme und dem Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen einen bedeutenden Umstand im Rahmen des Auskunftsanspruchs darstellt. Dem stand auch nicht entgegen, dass der Kläger nur die nicht ausreichenden Informationen im Beipackzettel gerügt hätte und er die maximal mögliche Nebenwirkung ja jetzt kenne. Es sei nämlich durchaus möglich, dass der Kläger über die Auskunft noch an weitere für seine beweisrechtliche Situation förderliche Informationen gelange. Daher besteht ein Auskunftsanspruch über bekannte Nebenwirkungen und Risiken.
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.5.2015 - Az.: VI ZR 63/14)