Mit Urteil vom 28.01.2015 hat das Landgericht Berlin einem psychiatrischen Patienten für die Fixierung und Zwangsmedikation mit Neuroleptika ein Schmerzensgeld von 5000 Euro zugesprochen. (LG Berlin Urteil vom 28.01.2015 - Az. 86 O 88/14). Hintergrund ist, dass das Bundesverfassungsgericht mit dem Beschluss vom 12.10.2011 - 2 BvR 633/11 feststellte, dass das § 8 Abs. 2. S2 des Unterbringungsgesetzes von Baden-Württemberg verfassungswidrig ist. In dieser Entscheidung erläuterte das Bundesverfassungsgericht, welche Anforderungen an eine gesetzliche Regelung einer Zwangsmedikation aus verfassungsrechtliche Sicht zu stellen sind, damit eine solche Regelung verfassungsgemäß ist. Im Einzelnen:
- Die medizinische Zwangsbehandlung muss auf die Fälle einer krankheitsbedingt fehlenden Einsichtsfähigkeit begrenzt werden.
- Es ist das vorherige Bemühen um eine auf Vertrauen gegründete, im Rechtssinne freiwillige Zustimmung erforderlich.
- Die Maßnahme muss vorher angekündigt werden
- Sie muss durch einen Arzt angeordnet und überwacht werden
- Es muss eine Überprüfung der Maßnahme durch unabhängige Dritte vorausgehen
- Es muss die Möglichkeit bestehen vorherigen Rechtsschutz zu suchen
Mit Beschluss vom 22.02.2013 - 2 BvR 228/12 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass aus einer gesetzlichen Vertretungsmacht des gesetzlichen Betreuers nicht die Befugnis folge, den einer medizinischen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betreuten durch Zwang zu überwinden bzw. eine Zwangsbehandlung dritter Personen durch Einwilligung zu legitimieren. Daher sei § 22 SächsPsychKG mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig.
Es bestehen daher berechtigte Gründe für die Annahme, dass § 30 Abs. 2 Berliner PsychKG a.F. verfassungswidrig war. Erst am 17.06.2016 trat eine Neufassung in Kraft, die die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigte. Leider hat das LG Berlin die Frage der Verfassungswidrigkeit der alten Fassung des Gesetzes für Psychisch Kranken offengelassen, weil die Zwangsmedikation schon aus anderen Gründen in dem einschlägigen Fall rechtswidrig war. Wir führen derzeit weitere Klageverfahren vor dem Landgericht Berlin. Die Verjährungsfrist für alle Fälle aus dem Jahr 2016 endet am 31.12.2019. Um die Verjährung zu verhindern, müssen Fälle aus dem Jahr 2016 bis zum Jahresende eingeklagt werden.